Wiesbadens französische Partnerstadt Fondettes erhält ein neues Gesicht
Vor wenigen Tagen führte ein trauriger Anlass die Nauroder Wolfgang Nickel und Bernd Siebold mit ihren Ehefrauen nach Frankreich. Sie reisten zu einer Beerdigung nach Fondettes, der 260 km südwestlich von Paris an der Loire liegenden Partnerstadt Wiesbadens. Eine liebe Freundin, deren Familie aus dem Elsaß stammt und die sich häufig als Dolmetscherin für die „Jumelage“ betätigt hatte, war gestorben.
Während des viertägigen Aufenthalts lud der Fondetter Bürgermeister Cédric de Oliveira zusammen mit Sylvain Debeure, dem Dezernenten für Internationale Angelegenheiten, die deutschen Besucher zu einem sehr informativen Rundgang durch die ständig expandierende Kleinstadt ein. Wie Pilze aus der Erde scheinen die teilweise sehr ansprechenden, neuen Wohnsiedlungen aus dem Boden zu schießen. Als die Gemeindevertretung des früher selbständigen Dorfes Naurod die Partnerschaft mit Fondettes im Jahr 1975 beschloss, hatten beide Gemeinden jeweils etwa 3.500 Einwohner. Heute leben im nördlichsten Wiesbadener Stadtteil knapp 4.500 Menschen, und in Fondettes sind es fast 11.000 Einwohner. Ein wesentlicher Grund für die unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung liegt darin, dass in Naurod keine neuen Baugebiete ausgewiesen werden, während die französische Partnerstadt mit ihren 32 km² Fläche immer noch viel Platz zum Bauen hat. Ein anderer, wichtiger Aspekt ist die Nähe zur nur sieben Kilometer entfernten Metropole Tours im Département Indre-et-Loire. In der geschichtsträchtigen Stadt - man denke an den Bischof St. Martin und an den fränkischen Hausmeier Karl Martell, der bei Tours und Poitiers gegen die Mauren kämpfte - gibt es viele mittlere und größere Betriebe, zahlreiche Behörden und die Universität François Rabelais mit 25.000 Studenten und wissenschaftlichen Mitarbeitern. Eingebettet im fruchtbaren Loiretal findet man „im Garten Frankreichs“ auch viele Obst und Weinbaubetriebe.
Der erste Besuch des Besichtigungsprogramms galt der ursprünglich gelben Telefonzelle, einem Geschenk des Nauroder Partnerschaftsvereins an die Stadt Fondettes zum 20. Jubiläum der „Jumelage“ im Jahre 1995. Als die französische Regierung verfügte, dass alle Telefonzellen bis Ende 2017 wegen ihrer Unrentabilität abgebaut und verschrottet werden sollten, beschloss die Stadtregierung, der Kabine „eine zweite Jugend“ zu geben. Sie ließ das Häuschen gegenüber dem Rathaus in den Stadtfarben blau anstreichen und verwandelte es in eine Mini-Bibliothek. Cédric de Oliveira hat zugesagt, an der „Borne à livres“ eine Plakette anbringen zu lassen, die an die ursprüngliche Verwendung als Telefonzelle aus Naurod erinnert.
Stolz zeigte der Bürgermeister seinen Gästen die fast fertig gestellte Markt- und Kulturhalle im Herzen von Fondettes, die in der Nähe der Pfarrkirche Saint-Symphorien liegt. Mit ihrer Fläche von 1.000 m² wird sie den zweimal wöchentlich stattfindenden Markt aufnehmen und Platz für bis zu 600 Besucher bei Konzerten sowie bis zu 800 Besucher bei Empfängen bieten. Daneben befindet sich ein mit Bäumen aufgelockerter Parkplatz für 140 Pkw und der „Square de Wiesbaden-Naurod“, eine Parkanlage, die 1981 von Oberbürgermeister Georg-Berndt Oschatz, Bürgermeister Jean Roux und den früheren Partnerschaftspräsidenten Jean Daloux und Bernd Siebold eingeweiht wurde. Die in diesem kleinen Park vorhandenen Bäume sollen erhalten bleiben. Neue Spielgeräte für Kinder und Ruhebänke für Erwachsene werden ergänzt. Als Besonderheit werden in diesem „Botanischen Garten“ Gemüsebeete angelegt und Volieren, ein kleiner Hühnerhof und ein Stall für Zwergziegen eingerichtet. Die Tiere werden vom Fondetter Kinderparlament ausgewählt. Gegenüber vom „Espace culturel de l’Aubrière“, dem Bürgerhaus, entsteht ein Garten mit Blumen, Büschen und einem Springbrunnen. Zukünftig wird es auf dieser 15.000 m² großen Fläche auch ein Jugendhaus mit einer Bibliothek geben.
Die seit einigen Jahren hier vorhandene Haltestelle für den Bus nach Tours, die den Namen „NAUROD“ trägt, bleibt natürlich im Stadtzentrum erhalten. Sie wird nur um wenige Meter versetzt.
Die Gäste waren von der Schilderung des Bürgermeisters bei der Besichtigung dieses riesigen Projekts sehr beeindruckt. Natürlich kam dabei die Frage nach der Finanzierung auf. Die Antwort von Cédric de Oliveira lautete: Für diese Maßnahmen zur qualitativen Verbesserung im Herzen von Fondettes erhält die Stadt eine bedeutsame finanzielle Unterstützung vom Regionalverband Centre – Val de Loire und aus dem Wettbewerbsfonds der kommunalen Vereinigung des Großraums Tour(s)plus. Hinzu kommt eine Subvention des Staates für die „Maires bâtisseurs“, d. h. die Bürgermeister, die bedeutsame Projekte zur Strukturverbesserung und Erhöhung der Lebensqualität der Menschen in ihrer Gemeinde durchführen. Weitere Finanzmittel wurden durch den Verkauf eines städtischen Grundstücks erzielt. Außerdem erhält Fondettes Geld aus dem Mehrwertsteuer-Ausgleichsfonds, welches später an die Gemeinde zurückfließt. So reduzieren sich die Gesamtkosten des Projekts von 2,75 Millionen Euro auf 900.000 Euro, die die Stadt selbst aufzubringen hat. Also etwa 70 % der Kosten sind bereits aus anderen Quellen finanziert. Im Sommer soll die komplette Anlage mit Straßen und einer Fußgängerzone eingeweiht werden.
Da es naturgemäß während der Baumaßnahmen Parkprobleme gibt, hat die Stadtregierung seit Juni letzten Jahres einen kostenlosen Pferdekutschendienst eingerichtet. Das „Hippomobil“ fährt jeden Sonntag alle halbe Stunde von 10 Uhr bis 12.30 Uhr vom Rathausplatz ins Stadtzentrum, damit die Bürger auf dem Markt und in den angrenzenden Geschäften in Ruhe einkaufen können.
Die Markt- und Kulturhalle ist aber nicht das einzige Großprojekt, das gegenwärtig in unserer französischen Partnerstadt verwirklicht wird. Das zweite Vorhaben, das Ende des vergangenen Jahres begonnen wurde, ist ein Schwimmbad auf den „Grands Champs“ in Fondettes. Die Vorarbeiten hierfür sind bereits erledigt
Das zukünftige Erlebnisbad wird ein Sportschwimmbecken in der Größe von 25 x 12,50 m mit einer Tiefe von 1,40 m bis 1,80 m haben und über ein Lehrschwimmbecken von 150 m² Fläche und ein Plantschbecken von 30 m² mit Kleinkinderabteil verfügen. Das Kinderschwimmbecken soll eine Rutsche erhalten. Im Wohlfühlbereich sind ein Jacuzzi (Whirlpool), eine Sauna und ein Solarium geplant. Umkleide- und Sanitärräume, eine Krankenstation und Zimmer für die Verwaltung gehören ebenso zur Einrichtung. Im Außenbereich werden 111 Pkw-Parkplätze zur Verfügung stehen. Ein Spielplatz mit Wasserspielen, ein Beachvolleyballfeld, ein Theatermulde mit Sitzstufen, Grünanlagen mit Liegewiesen und 300 Bäumen, Fußwege und Straßen werden das Freizeitbad abrunden. Der Bürgermeister geht davon aus, dass im Jahr 2019 die ersten Schwimmer ihre Bahnen ziehen können. Die Gesamtkosten belaufen sich nach den bisherigen Berechnungen auf zehn Millionen Euro und werden vom Gemeindeverband Tours Metropole – Val de Loire übernommen, dem die Stadt Fondettes seit Kurzem angehört.
Über so bedeutende Vorhaben staunten sowohl der Nauroder Ortsvorsteher und als auch der frühere Vorsitzende des Nauroder Partnerschaftsvereins, kennen doch beide die Stadt Fondettes von Anbeginn der Beziehungen in den Jahren 1974/75 und freuen sich natürlich über diese positive Entwicklung und die beispielhafte Freundschaft in den vergangenen 44 Jahren. Sie dankten dem Fondetter Bürgermeister dafür, dass er sich für die Gäste so viel Zeit genommen hatte und boten ihm bei seiner nächsten Reise nach Deutschland ein herzliches Willkommen in Naurod an.
Bernd Siebold
So soll „das Herz“ von Fondettes zukünftig aussehen:
Und hier noch die Bilder des Faltblattes der Markt- und Kulturhalle in Fondettes: